Bewerten Schüler die DDR unterschiedlich je nach ihrem Kenntnisstand über die DDR? Glaubt man einer Spiegel-Statistik, dann ist der Zusammenhang mehr als deutlich:
Wie Schüler die DDR beurteilen – je nach Kenntnisstand
92,3% der Schüler mit sehr hohem Kenntnisstand beurteilten die DDR negativ. Bei den Schülern mit sehr geringem Kenntnisstand waren es nur noch 44%. Auch die Kategorien dazwischen (mittlere Kenntnisstände) sind so abgestuft, dass man von einem nahezu perfekt linearen Zusammenhang sprechen kann: Je höher das Wissen über die DDR, desto negativer die Bewertung.
Befragt wurden insgesamt 5.219 Schüler sowohl in west- wie ostdeutschen Bundesländern (Bayern, Ost- und Westberlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen). Es wurden 18 Wissensfragen gestellt; für einen „sehr hohen“ Kenntnisstand mussten mindestens 17 richtige Antworten gegeben werden, für einen „hohen“ 14 bis 16 usw. Die Statistik wurde bereits 2008 veröffentlicht; die Schüler waren höchstens 18 Jahre alt, d. h. sie wurden (kurz) nach der Wende geboren und haben die DDR nicht selbst erlebt.
Da Zahlen nicht automatisch „für sich selbst“ sprechen: Wie sind sie zu interpretieren? Man kann vermuten, dass mit höherer Bildung (allgemein gesprochen) bzw. mit zunehmendem Wissen über die DDR im Speziellen das Bewusstsein für die negativen Seiten zunimmt. Etwas ketzerischer kann man auch fragen, welches DDR-Bild in den deutschen Schulen nach der Wende vermittelt wird.
Ost-West-Unterschiede bei der Beurteilung der DDR
Eine weitere Statistik zeigt, wie Befragte in Ost- und Westdeutschland rückblickend das Leben in der DDR beurteilten. Es wurden vier Items zu guten und schlechten Seiten der DDR präsentiert, von „überwiegend schlechten Seiten“ und „mehr schlechten als guten Seiten“ über „mehr gute als schlechte Seiten“ bis hin zu „überwiegend gute Seiten“.
Die „mittleren“, ausgewogeneren Thesen fanden deutlich mehr Zustimmung als die beiden äußeren, radikaler formulierten Thesen. Insgesamt stimmte fast exakt die Hälfte der Befragten der Aussage zu, die DDR habe mehr schlechte als gute Seiten gehabt. Zählt man die beiden linken Kategorien als „schlechte“ Beurteilung zusammen, dann kommt man auf 70% der Befragten (etwas mehr als zwei Drittel), die die DDR negativ sahen. Nur 25% stimmten einer positiven Bewertung zu (Summe der beiden rechten Kategorien). Die restlichen 5% haben sich offenbar einer Beurteilung enthalten.
Auffällig sind die Ost-West-Unterschiede: 57% der Ostdeutschen, also mehr als die Hälfte, zeugten von einem positiven DDR-Bild (49% „mehr gute als schlechte Seiten“ plus 8% „überwiegend gute Seiten“). Nur 18% der Westdeutschen teilen diese Ansicht, also weniger als ein Fünftel (13% „mehr gute als schlechte Seiten“ plus 5% „überwiegend gute Seiten“).
(Zahlen von 2009; 1.208 Befragte; veröffentlicht vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung)
Was halten Sie von den präsentierten Zahlen? Werden Ost-West-Unterschiede „künstlich“ von Medien geschürt?
In den letzten Wochen staunte ich darüber, wie unverhohlen die Linke sich der Ost-West-Schublade bediente: mit dem Wahlplakat „Der Osten wählt rot“. Das erscheint mir ein zweischneidiges Schwert zu sein: Heißt das im Umkehrschluss, dass der Westen nicht rot wählt? Ist das ebenso klar?
Na, wie formulierte jemand so schön: der 2013er Wahlkampf wurde „weitgehend antwortfrei“ geführt. Und das bezog sich nicht (nur) auf die Linken.
Hier finden Sie weitere Artikel zu den Stichworten DDR und Ostdeutschland.
Ich denke, zum einen wirkt die Binnen-Propaganda der SED noch nach, die die DDR als das bessere, friedlichere, sozialere Deutschland stilisierte – was allerdings eben nicht unbedingt stimmte. Lassen wir mal die Ansichts-Katergorie „besser“ beiseite, so ist zum Beispiel „friedlicher“ zweischneidig: In der Außenpolitik war die DDR m. E. wirklich friiedlicher und das bis zum Überdruss propagierte „Nie wieder Krieg!“ wirkt offensichtlich bis heute nach, wenn man an frühere Ost-West-Umfragen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr denkt. Andererseits war der Geist im Offizierskorps der ostdeutschen Streitkräfte nach meiner Erfahrung viel militaristischer als der in der Bundeswehr, stand viel mehr in der Tradition von Preußen und Deutschen Reich.
Dass Ostdeutsche die DDR besser bewerten als Westdeutsche, andererseits auch Schüler mit höheren (schulischen) Wissensstand zu einem negativen Urteil kommen, liegt wohl an mehreren Punkten: Als großer Pluspunkt der DDR wird sicher bis heute die Absenz von Arbeitslosigkeit gesehen und die ist heute nun mal in Ost und West ein unterschiedlich starkes Problem. Zudem spielt da bestimmt auch viel Alltagserinnerung hinein, Kleinigkeiten, die heute im Unterricht mangels Relevanz und klarer Fassbarkeit kaum eine Rolle spielen: Das Miteinander der Menschen, moderneres Zivilrecht, aber auch solche Kleinigkeiten wie billige und flächendeckende Milchversorgung und Schulspeisung etc. pp. Und da spielt im zunehmend entfernten Rückblick wohl auch selektive Wahrnehmung eine Rolle: Man vermisst eben nur das, was man jetzt nicht mehr hat und verdrängt die negativen Seiten – was hier natürlich nur auf Menschen zutrifft, die in der DDR sozialisiert wurden.
Hallo Heiko,
finde ich sehr einleuchtend, was Du schreibst. Gestaunt habe ich über die preußische Tradition der NVA, das hatte ich so noch nicht gehört. Da hätte ich einen viel stärkeren Bruch mit deutschen Vorgänger-Militärs erwartet als im Westen. Bei der westdeutschen Vergangenheitsbewältigung denke ich viel mehr an Kontinuität als bei der DDR. Vielleicht gilt das nur in Bezug auf die NS-Zeit. Stichwort hohe Renten für SS-Offiziere, während Deserteure über Jahrzehnte als vorbestraft galten, soweit ich weiß. Usw.