Die ominösen TTR(=Tischtennis-Rating)-Werte sind schon seit geraumer Zeit bei den Tischtennisspielern in aller Munde. Doch was sagt dieser Wert eigentlich aus und wie wird er berechnet? Obwohl der TTR-Wert in Tischtenniskreisen stark präsent ist, sind diese Fragen weitgehend unklar. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, etwas „Licht ins Dunkle“ zu bringen.
Was ist der TTR-Wert?
Der TTR-Wert ist eine Maßzahl, die die individuelle, allgemeine Leistungsstärke abbildet – ähnlich wie die ELO-Zahl im Schach. Individuell bedeutet in diesem Zusammenhang, dass jeder gemeldete Tischtennisspieler einen eigenen Wert besitzt, der sich ausschließlich anhand der gespielten Einzel, nicht jedoch anhand der gespielten Doppel errechnet. Allgemein meint hier, dass sich dieser Wert auf die Leistungsstärke bezieht, die man gegen die Gesamtheit aller Tischtennisspieler aufweist. Der TTR-Wert ist ergo nicht differenziert nach Spielertyp. D.h., dass der Wert beispielsweise nicht unterscheidet zwischen der Leistungsstärke gegen Materialspieler und Nicht-Materialspieler. Er unterscheidet demnach auch nicht die Leistungsstärke gegen Offensiv- und Defensivspieler. Der TTR-Wert fasst diese unterschiedlichen Leistungsstärken gegen verschieden Spielertypen implizit in einer einzigen Maßzahl zusammen. Das ist auch der Grund, weshalb es durchaus gut möglich ist, dass man häufig gegen Spieler gewinnt, die einen viel höheren TTR-Wert aufweisen als man selbst, weil einem deren Spielweise (z.B.: Defensivspiel) schlicht und ergreifend entgegenkommt. Die gleiche Argumentationskette lässt sich natürlich auch auf den Fall anwenden, wenn man beobachtet, dass man vom TTR-Wert als Favorit deklariert wird und man dennoch häufiger verliert. Diese Gegner kann man dann allerdings getrost als Lieblingsgegner bzw. Angstgegner bezeichnen.
Wie wird der TTR-Wert berechnet?
Die Berechnung des TTR-Wertes erfolgt auf Basis statistischer Methoden. Ein Spieler, der sein allererstes Einzel bestreitet, bekommt einen Startwert zugewiesen. Dieser Startwert entspricht dem durchschnittlichen TTR-Wert derjenigen Spieler, die in der entsprechenden Liga auf derselben Position gemeldet sind. Der TTR-Wert geht mit einer bestimmten Leistungsstärke einher. Besitzt der Spieler in Wahrheit eine höhere Leistungsstärke als ihm zugewiesen worden ist, wird sein TTR-Wert langfristig steigen. Ist die Leistungsstärke geringer als aus Startwert abzuleiten ist, sinkt der TTR-Wert langfristig logischerweise. Lediglich, wenn die Leistungsstärke derjenigen des Startwertes entspricht, verändert sich der TTR-Wert langfristig nicht. Wichtig ist hier, dass es sich dabei um langfristige Entwicklungen handelt. Kurz- bzw. mittelfristige Änderungen des TTR-Wertes können auch auftreten, wenngleich sich die wahre Leistungsstärke nicht verändert. Dies nennt man dann statistische Schwankung.
Ist der Startwert nun ermittelt, werden für jedes gespielte Punktspiel Gewinnwahrscheinlichkeiten ermittelt. Diese Gewinnwahrscheinlichkeiten werden mittels der TTR-Wert-Differenz, die man zum jeweiligen Gegner an dem bestimmten Spieltag aufweist, berechnet. Die Formel zur Berechnung der exakten Gewinnwahrscheinlichkeiten ist etwas komplexer. [1]Allerdings lassen sich einfach Regeln ableiten. Besitzt der Gegner den gleichen TTR-Wert wie man selbst, so beträgt die Gewinnwahrscheinlichkeit exakt 50%. Liegt der TTR-Wert des Gegners unterhalb des Eigenen ist die Gewinnwahrscheinlichkeit größer als 50%, liegt er oberhalb des Eigenen ist sie geringer als 50%. Als Faustregel lässt sich sagen, dass man pro 4 Punkte Differenz einen Prozentpunkt auf die 50% an Gewinnerwartung hinzubekommt. ( Bsp.: Differenz: +40 -> (40/4)%+50%= 60%=0,6[ca.])
Die Gewinnwahrscheinlichkeiten dienen der Berechnung der sogenannten Gewinnerwartung. Dieser Erwartungswert der Einzelsiege (=Gewinnerwartung) besagt, wie viele Einzelspiele man bei dem jeweiligen Punktspiel hätte gewinnen müssen, damit der TTR-Wert unverändert bleibt. Gewinnt man genau so viele Einzel, wie von dem „System“ erwartet, bleibt der TTR-Wert unverändert.
TTR-Wert: Berechnungsbeispiele
Spielt man beispielweise zwei Einzel und sollte man zu 10% gegen Kontrahent 1 gewinnen und zu 80% gegen Kontrahent 2, so beträgt der Erwartungswert der Einzelsiege 0,9 (-> 0,1 + 0,8 = 0,9). Wie sofort ins Auge fällt, ist es unmöglich 0,9 Einzel zu gewinnen. Man kann nur 0, 1 oder 2 Einzel gewinnen. Der Erwartungswert von 0,9 lässt sich so interpretieren, dass man beispielweise von 20 Spielen (10 gegen Kontrahent 1, 10 gegen Kontrahent 2) gegen diese beiden Kontrahenten 9 gewinnen sollte, um den TTR-Wert konstant zu halten. Angenommen man gewinnt nun beide Einzel. Dann hat man (+)1,1 (-> 2-0,9=+1,1) mehr Einzel gewonnen, als erwartet. Der TTR-Wert muss daher steigen. Der Anteil der unerwarteten Siege (1,1) wird nun mit der sogenannten Änderungskonstanten multipliziert. Diese Änderungskonstante beträgt in der Regel 16. Je jünger ein Spieler ist bzw. je weniger Einzel er bisher bestritten hat, desto höher kann die Änderungskonstante werden. Maximal beträgt diese Änderungskonstante 32. Auf das obige fiktive Punktspiel zurückkommend, bekommt der Spieler nun theoretisch 17,6 (-> +1,1*16=17,6) gutgeschrieben. Dieser Wert von 17,6 wird zuvor allerdings noch zu 18 gerundet. Der TTR-Wert des Spielers ist also 18 Punkte höher als zuvor.
Die Änderungskonstante, die in der Regel 16 beträgt ist auch der maximale Betrag, die man für einen Einzelsieg erhalten kann (z.B. Sieg über Timo Boll) oder aber auch verlieren kann (z.B. Niederlage gegen „Z-Klassen-Spieler“).
Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass es keinen Sinn macht, mehr Einzel zu spielen, um einen höheren Wert zu erreichen, sofern der aktuelle TTR-Wert der wahren Leistungsstärke entspricht. Der Erwartungswert eines Punktspiels oder Turniers beträgt dann nämlich stets 0. Der TTR-Wert verändert sich daher nicht mit zunehmender Anzahl an Einzelspielen, sondern bleibt konstant auf dem gleichen Niveau.
[1] [1/(1+10^(-[TTR-Differenz]/150)]
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