RStudio, die vielleicht bekannteste Firma im R-Umfeld, hat sich in Posit umbenannt. Posit ist ein real existierendes Wort: es bedeutet, eine Idee zur Diskussion zu stellen. Das ist ein charakteristischer Bestandteil der Arbeit von Data Scientists (Hypothesen aufstellen und testen!) und reflektiert damit
- die Arbeit der datengetriebenen Open-Source-Gemeinschaft sowie
- den wissenschaftlichen Ehrgeiz, stets nach einem höheren Niveau an Wissen und Verständnis zu streben.
Verschwindet damit der Name RStudio von der Bildfläche?
Während RStudio als Firmenname Geschichte ist, bleibt der Name RStudio für die Entwicklungsumgebung für R erhalten. Die IDE (Integrated Development Environment) RStudio behält ihren bewährten Namen.
Andere Produkte von Posit sind allerdings von der Namensänderung betroffen:
- RStudio Connect heißt jetzt Posit Connect
- RStudio Workbench heißt jetzt Posit Workbench
- RStudio Package Manager heißt jetzt Posit Package Manager
R bleibt Schwerpunkt, aber nicht ausschließlich – Python auch
Posit fühlt sich weiterhin der R-Gemeinschaft verpflichtet und verbunden. Hadley Wickham sagte, er habe nicht vor, Python zu lernen. Allerdings reflektiert die Namensänderung etwas, das das Unternehmen schon seit einer Weile tut: Die oben genannten kommerziellen Produkte unterstützen bereits seit über zwei Jahren Python. Die Umbenennung zieht somit nur nach und macht deutlicher als bisher, dass es nicht ausschließlich um R geht. Das Posit / RStudio-Team unterstützt Python auch durch die aktive Entwicklung des reticulate-Pakets, mit dem man von R aus Python-Code ausführen kann, durch Syntax Highlighting in der RStudio IDE und durch das neue Quarto-Format. Mit Quarto kann man, wie mit Markdown, die Berichtserstellung automatisieren. Auch hier reflektiert der Name, dass es um mehr geht als nur R. Quarto ist ebenso gut mit Python und Julia nutzbar.
Neu ist zudem Shiny für Python.
Interessante Firmenstruktur: Posit als Public Benefit Corporation
Posit, und davor RStudio seit Anfang 2020, firmiert als Public Benefit Corporation. Damit ist die Verpflichtung gegenüber der Open Source-Gemeinschaft, im Gegensatz zu der üblichen Verpflichtung eines Unternehmens gegenüber den Anteilseignern, in den Firmenstatuten festgeschrieben. Posit ist ein interessantes Beispiel dafür, wie der Spagat zwischen Open Source-Entwicklung und Rentabilität gelingen kann. Einige der hellsten Köpfe der R-Community arbeiten für Posit und verwenden einen Großteil ihrer Arbeitszeit auf Open Source-Entwicklung – zum Beispiel R-Pakete, die von R-Anwendern kostenlos nutzbar sind. Etliche Mitarbeiter sind vor ihrer Posit-Zeit bekannt geworden und wurden von anderen Positionen abgeworben – das heißt, dass Posit offenbar in der Lage ist, konkurrenzfähige Gehälter zu bezahlen. Beispiele sind:
- Natürlich Hadley Wickham, der vor seiner Anstellung bei RStudio / Posit (2013) bereits ggplot2 (2008) und weitere R-Pakete wie plyr (Vorgänger von dplyr) und reshape, reshape2 entwickelte;
- Max Kuhn, von 2005 bis 2016 bei Pfizer als Senior Director, Nonclinical Statistics, Autor des bekannten caret-Pakets für Machine Learning (Vorgänger der tidymodels-Paketsammlung, an der er jetzt arbeitet) und Buchautor: Applied Predictive Modeling;
- Thomas Lin Pedersen, Spezialist für Datenvisualisierung, Autor zahlreicher R-Pakete, z. B. patchwork (Anordnung mehrerer Diagramme), gganimate (erweitert ggplot2 um Animationen), ggraph (Visualisierung relationaler Daten wie Netzwerke, Bäume), ggforce (ggplot2 beschleunigen), tidygraph, lime (local interpretable model-agnostic explanations) und viele weitere, siehe sein github-Profil. Er arbeitete für die Dänischen Steuerbehörden, als RStudio ihn 2018 abwarb. Pedersen hat von Hadley Wickham die Betreuung von ggplot2 als CRAN Maintainer (Verantwortlicher, an den Emails z. B. bei Kompatibilitätsproblemen mit anderen Paketen gehen) übernommen.
Disclaimer: Ich habe keine geschäftliche Beziehung zu Posit / RStudio und nutze bisher ausschließlich kostenlose Produkte. Eines, das vielleicht nicht so bekannt ist und das ich gern empfehlen kann, ist übrigens die RStudio Cloud, die weiterhin so heißt und die es ermöglicht, R und RStudio ganz ohne lokale Installation im Internetbrowser zu nutzen. Bei Schulungen habe ich meist eine Kursversion in der Cloud für Teilnehmer, die ansonsten an der Installation scheitern würden – sei es aufgrund fehlender Admin-Rechte oder aufgrund veralteter Software-Versionen.
Was haltet Ihr von der Umbenennung? Könnt Ihr Euch mit dem neuen Namen Posit anfreunden?
Weitere Infos:
- RStudio is becoming Posit – Blogbeitrag von Firmengründer JJ Allaire und Hadley Wickham
- RStudio is now Posit! – New Name, Same DNA
- Zur Umfirmierung als Public Benefit Corporation: RStudio Inc becomes RStudio PBC, expands data science product focus with Python support
- RStudio Cloud
4 Gedanken zu „Aus RStudio wurde Posit!“