Rafael Nadal bezwingt Novak Djokovic und gewinnt zum 13. Mal die French Open und schliesst damit mit seinem 20. Grand-Slam-Titel nach Anzahl an Grand-Slam-Siegen zu Roger Federer auf. Alle drei genannten gelten als die grössten Tennisspieler aller Zeiten und werden als «The Big Three» bezeichnet. Insgesamt kommen die «Big Three» auf sage und schreibe 57 Grand-Slam-Titel. Die Frage nach dem Allerbesten, dem sogenannten «Greatest of all Times» (GOAT) bleibt hierbei nicht aus. Die reine Anzahl der Grand-Slam-Siege ist hierfür zwar definitiv eine entscheidende Grösse, jedoch sollten hierzu noch weitere Aspekte berücksichtigt werden. Vor allem zwei Aspekte finden in der Zahl der Grand-Slam-Siege keine Berücksichtigung.
Grand-Slam-Titel und Beläge
Die vier Majors werden auf drei unterschiedlichen Belägen ausgetragen. Neben dem Hartplatz (Australian Open & US Open) und dem Sandplatz (French Open) wird auch das Gras (Wimbledon) als Untergrund bespielt. Die Tatsache, dass der Hartplatz für zwei Majors genutzt wird, der Sandplatz und das Gras hingegen nur einmal führt dazu, dass Hartplatzspezialisten einen Vorteil besitzen.
Der grösste Spieler aller Zeiten muss in der Lage sein auf allen drei Belägen eine gute Performance abrufen können. Den Karriere Grand-Slam mit mindestens einem Titel bei den vier Majors haben die «Big Three» allesamt erreicht. Es stellt sich dennoch die Frage, welcher von Ihnen der kompletteste Spieler ist. Ein möglichst kompletter Spieler gewinnt auf allen Beläge konstant viele Titel, während der Spezialist sich auf einen Belag fokussiert.
Nimmt man diesen beiden Aspekte für die Beurteilung der Karriereleistung unter den «Big Three» statistisch genauer unter die Lupe zeigen sich spannende Erkenntnisse, die die Frage nach dem «Greatest of all Times» präziser beantworten.
Die Frage nach dem besten Tennisspieler aller Zeiten kann nicht abschliessend und eindeutig beantwortet werden. Selbst aus der statistischen Sicht gibt es eine Vielzahl an Statistiken, die mutmasslich jeden der drei genannten Spieler als eben jenen ausweisen. Die reine Summe an Grand Slam-Titel scheint auf den ersten Blick die beste Grösse hierfür. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, dass diese Sichtweise etwas zu kurz greift und es noch weitere Aspekte, die es hierfür berücksichtigt werden sollten.
Das Ergebnis der folgenden Analyse ermittelt den GOAT als den vielseitigsten der «Big Three». Hierzu schaut man sich zunächst einmal die Verteilung der Grand Slam – Titel der Spieler an. Je kompletter ein Spieler ist, desto gleichverteilter sind dessen Erfolge bei den vier Grand Slam-Events (Australian Open, French Open, Wimbledon, US Open). Roger Federer und Rafael Nadal besitzen zwar beide insgesamt 20 Grand Slam – Titel, jedoch verteilen sich die Titel ganz unterschiedlich auf die vier Majors (siehe Tabelle 1). Während es Roger Federer als Rekordhalter auf 8 Titel in Wimbledon bringt, konnte Rafael Nadal das prestigeträchtige Rasenturnier «nur» zweimal gewinnen. Das Bild kehrt sich bei dem Sandplatzturnier French Open um. Hier ist Rafael Nadal mit seinen 13 Titeln der Dominator, während Roger Federer lediglich einen Titel aus Paris mitnehmen konnte. Welcher dieser beiden Grand Slam – Records zeigt nun die grössere Vielseitigkeit ? Das mathematische Produkt der Titelanzahlen der einzelnen Grand Slam- Events ist ein sehr guter Indikator hierfür, da es zwei wichtige Eigenschaften besitzt, die hierfür bedeutsam sind (siehe Tabelle 2). Zum einen steigt das Produkt mit jedem Grand Slam- Titel an, zum anderen weist es abnehmende Grenzerträge auf. Mit jedem Grand Slam-Titel steigt das Produkt, je nach bereits gewonnenen Titeln steigt es jedoch stärker oder schwächer. Dies ist sinnvoll, da beispielsweise der 13. Titel bei den French Open von Rafael Nadal seine Einschätzung als Sandplatzkönig hinsichtlich seiner Vielseitigkeit nicht so stark positiv beeinflusst wie ein potentieller zweiter Titel bei den Australian Open. Betrachtet man alle vier Grand Slam- Turniere als eigenständige und unabhängige Turniere, so ist aktuell Roger Federer mit einem Produktwert 240 (6 x 1 x 8 x 5 = 240) als der vielseitigste Spieler zu betrachten. Ein fiktiver Spieler, der alle vier Grand Slams je viermal gewonnen hätte, würde einen minimal höheren Produktwert aufweisen. D.h. ein Spieler mit 16 Grand Slam- Titeln, je 4 (Geometrisches Mittel Federer : 3.94 ) bei jedem Major wäre trotz vier Titel weniger als leicht besser, weil vielfältiger einzustufen. Novak Djokovic weist eine ähnlich hohe Vielfältigkeit auf wie Roger Federer. Würde er bspw. einen zweiten French Open Titel gewinnen, zieht er mit Roger Federe in diesem Ranking gleich, da er seinen Produktwert von 120 auf 240 verdoppeln würde. So stünde er trotz 2 Grand Slam – Titeln weniger (18 vs. 20) gemeinsam mit Roger Federer auf Platz 1.
Zwei Grand-Slam-Turniere auf Hartplätzen – Gewichtung
Diese erste Analyseansatz unterschlägt jedoch völlig die Tatsache, dass die drei im Tennis genutzten Beläge bei den Grand Slam nicht gleich oft vorkommen. So gibt es bei den Grand Slam Turnieren mit den Australian Open und den US Open gleich zwei Hartplatzturniere, während auf Gras (Wimbledon) und auf Sand (French Open) nur einmal gespielt wird. Hartplatzspezialisten haben demnach bei der reinen Zählung aller Grand Slam – Titel einen komparativen Vorteil. Um diesem Umstand im finalen Ranking des GOAT Rechnung zu tragen werden die Australian Open und die US Open mathematisch zu je 50 % gewichtet und zu einem fiktiven Hartplatzturnier transformiert. Damit erreicht man eine Gleichgewichtung aller drei Beläge (Gras, Hartplatz, Sand).
Dies führt beispielsweise dazu, dass die je 11 Titel von Federer und Djokovic bei den Hartplatzturnieren nur noch zur Hälfte Gewichtung finden. Rafael Nadal wird durch die Austragung von zwei Hartplatzturnieren benachteiligt und profitiert daher von der Normierung am meisten. Die Normierung zur Gleichgewichtung der Beläge kann auch damit begründet werden, dass es in der Vergangenheit immer wieder Wechsel bei der Kombination von Grand Slam-Turnieren auf den unterschiedlichen Belägen gegeben hat und ein (nicht normierter) Vergleich der reinen Grand Slam- Siege nur bedingt aussagekräftig ist.
Der sogenannte GOAT-Score, der zum Ziel hat den vielseitigsten Spieler der «Big Three» zu ermitteln wird als Produkt der (gewichteten) Titelzahlen aus den vier Grand Slams ermittelt. Der GOAT Score von Rafael Nadal beträgt nach seinem 13. Titel in Paris 65. Er konnte diesen Wert durch seinen Triumph um 5 Punkte steigern. Roger Federer folgt mit 44, noch vor Novak Djokovic mit einem GOAT-Score i.H.v. 27.5. Das Rennen um den Titel des GOAT ist noch nicht abgeschlossen. Jeder weiterer Grand Slam – Titel steigert den GOAT-Score des jeweiligen Grand Slam-Champion und kann dementsprechend die Reihenfolge im GOAT-Ranking noch verändern. Roger Federer könnte Rafael Nadal mit einem einzigen weiteren Titel in Roland Garros (GOAT-Score: 88) oder theoretischen vier weiteren Titel in Wimbledon c.p. überholen (GOAT-Score: 66). Novak Djokovic hingegen müsste beispielsweise die French Open und zusätzlich noch einmal Wimbledon gewinnen (GOAT-Score: 66), um den GOAT-Score von Rafael Nadal c.p. zu übertreffen.
The GOAT: Rafael Nadal
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ausgehend von der Verteilung der Grand Slam- Titel aktuell Rafael Nadal als der «Greatest Of All Times» im Tennissport anzusehen ist. Rafael Nadal ist der einzige der «Big Three», der auf jedem Belag mindestens zwei Grand Slams gewinnen konnte. Während Djokovic und Federer das Sandplatzturnier der French Open nur je einmal gewinnen konnte, kann Nadal seinen einmaligen Triumph bei den Australian Open durch seine vier Siege bei den US Open – bezogen auf den (Hartplatz-) Belag- kompensieren.
Ein Gedanke zu „Der GOAT-Score. Eine statistische Betrachtung der Grand Slams“