PSPP: Wie gut ist die kostenlose Alternative zu SPSS?

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IBM SPSS ist eine mächtige statistische Analysesoftware mit großem Funktionsumfang – und teuer. Wer die Lizenzgebühren nicht aufbringen kann oder will, stößt früher oder später auf PSPP, eine kostenlose Alternative, die unter der GNU General Public Licence steht.

PSPP LogoDer Name hat keine offizielle Bedeutung – er spielt lediglich auf SPSS an. Es gibt aber inoffizielle Vorschläge wie People Should Prefer PSPP oder Perfect Statistics Professionally Presented.

Klar, dass man von einem frei erhältlichen Programm nicht denselben Funktionsumfang erwarten kann wie von dem seit vielen Jahren kontinuierlich weiterentwickelten SPSS. Doch wie schlägt sich PSPP im Praxistest?

Getestet habe ich die Version 0.8.2 mit grafischer Benutzeroberfläche: psppire.exe. Installiert wurde sie als 32-bit-Version auf einer virtuellen Windows-XP-Maschine (bevor der Support eingestellt wurde!), die unter Windows 7 Professional läuft.

Neu: PSPP-Test im Video

Stärken von PSPP

  • Erster großer Pluspunkt: PSPP kann problemlos SPSS-Datensätze (.sav-Format) öffnen. Allein das kann schon sehr viel wert sein, wenn man gerade keinen Zugriff auf SPSS hat!
PSPP Variablenansicht
PSPP Variablenansicht; hier können wie in SPSS Variablen- und Wertelabels, Fehlwerte, Messniveaus und Rollen definiert werden
  • Wer mit SPSS vertraut ist, wird sich sehr schnell mit der PSPP-Oberfläche zurechtfinden. Es gibt ebenfalls eine Daten- und eine Variablenansicht. Das Datenfenster bietet die Möglichkeit, zwischen Werten (Zahlencodes) und Labels (Beschriftungen, Bedeutung der Zahlencodes) umzuschalten. Beispiel: Es können wahlweise Beschriftungen wie „Gruppe A“, „Gruppe B“, „Gruppe C“ oder Codes wie 1, 2, 3 angezeigt werden. Beim Öffnen von SPSS-Dateien werden Variablen- und Wertelabels korrekt importiert. Damit ist der Dateneditor komfortabler als Excel.
PSPP Datenfenster
PSPP Datenfenster mit Wertelabels; Beispiel mit Allbus-Daten
  • Zweiter großer Pluspunkt: Auch Syntaxdateien (.sps) werden problemlos importiert.
  • Standardverfahren wie deskriptive Statistiken, Mittelwertsvergleiche, t-Tests, Varianzanalysen, Korrelationen, Regressionsanalysen, Cluster-, Faktoren- und Reliabilitätsanalysen sowie nichtparametrische Tests stehen zur Verfügung und sind da zu finden, wo ein SPSS-Anwender sie sucht – im ähnlich aufgebauten Menü „Analysieren“.
  • PSPP beherrscht wichtige Funktionen der Datenaufbereitung wie das Berechnen neuer Variablen, Umcodierungen oder das Bilden von Rangfolgen.
  • Im Gegensatz zu günstigen SPSS-Studentenversionen kennt PSPP keine vergleichbare Begrenzung der Variablenanzahl.

Schwächen von PSPP

PSPP ist keinesfalls ein vollwertiger Ersatz für eine SPSS-Vollversion.

Einige statistische Maße sind schwierig zu finden. Zwei Beispiele aus dem Bereich der Inferenzstatistik (bivariate Signifikanztests):

  • Unter „Bivariate Korrelationen“ habe ich keine Rangkorrelation nach Spearman gefunden. Lediglich die parametrische Pearson-Korrelation wird ausgegeben.
    Es gibt sie jedoch: unter Deskriptive Statistiken – Kreuztabellen – Statistiken steht eine große Auswahl an Maßzahlen zur Verfügung, darunter „Spearmans Korrelation“.
  • Unter „Nichtparametrische Tests“ finde ich zwar Tests für zwei verbundene (abhängige) Stichproben (Wilcoxon, Sign=Vorzeichentest, McNemar), aber keine Tests für zwei unabhängige Stichproben.
    Den Mann-Whitney-U-Test kann man per Syntax als Unterbefehl unter „NPAR TESTS“ anfordern.

Schwerer wiegt jedoch, dass laut der (immerhin erfreulich umfangreichen) Dokumentation (PDF mit derzeit 196 Seiten) einige Fehler enthalten sind, d. h. dass Statistiken bei Kreuztabellen nicht korrekt berechnet werden. Beispiele:

  • Pearson’s R wird nicht exakt berechnet
  • Die T-Werte für Pearson- und Spearman-Koeffizienten werden falsch berechnet.
  • Es fehlen Signifikanzwerte

Einschränkungen im Funktionsumfang

  • keine 2SLS (two stage least squares regression)
  • keine hierarchische Clusteranalyse
  • offenbar keine benutzerdefinierten Tabellen (ctables)
  • keine Diagramme Diagramme per Syntax möglich; umständlich; hier sind andere Programme wie das ebenfalls frei erhältliche R deutlich besser
  • Export der Ergebnisse: Es fehlen Excelformate (.xls bzw. .xlsx).
    Excel-Export ist möglich im .csv-Format. Dann muss man in Excel den Text in Spalten trennen. Bei mir gab es noch Probleme mit Umlauten. Man kann zwar in Excel den Textkonvertierungs-Assistenten verwenden und dort z. B. UTF-8 einstellen, allerdings beseitigt das fehlerhafte Umlaute anscheinend nicht immer, jedenfalls nicht in der von mir getesteten Konstellation.

Handling, Workflow, Stabilität

  • Ich bin es aus SPSS und anderen Programmen gewohnt, meine Zwischenstände häufig per Tastenkombination (Strg+S) zu speichern. Das funktioniert in PSPP nicht. Inzwischen schon (meines Wissens ab Version 0.8.4)
  • Da das Programm leider auch etwas instabil lief und sich mehrmals mit „Runtime Errors“ verabschiedete, habe ich auf diese Weise Syntaxabschnitte verloren.
  • Leider kann man Ergebnistabellen anscheinend nicht direkt per Copy & Paste aus dem Ausgabefenster kopieren.

Fazit

Allein die Möglichkeit, SPSS-Daten und Syntaxdateien zu öffnen und zu bearbeiten, kann schon Gold wert sein. Viele Standardanalysen sind mit PSPP möglich. Daher lohnt es sich auf jeden Fall, das Programm zumindest im Hinterkopf zu behalten.

Meine Tests waren bisher nicht allzu umfangreich. Für Erfahrungsberichte und weitere Hinweise bin ich dankbar! Gern könnt Ihr die Kommentarfunktion dafür nutzen.

Mehr zu PSPP und Open Source Software:

The PSPP Guide (Expanded Edition): An Introduction to Statistical Analysis
Handbook of Open Source Tools

14 Gedanken zu „PSPP: Wie gut ist die kostenlose Alternative zu SPSS?“

  1. Hallo Wolf, danke für den Beitrag.
    Wo lässt sich denn aktuell eine sichere Version von PSPP auf Deutsch herunterladen?
    Viele Grüße von Britta

  2. Hallo zusammen,
    ich habe mal exemplarisch die Kritik zu
    „Statistiken bei Kreuztabellen nicht korrekt berechnet werden. Beispiele: Pearson’s R wird nicht exakt berechnet“
    geprüft. Ihr hattet damals mit PSPP Version 0.8.2 (32 bit) geprüft, ich habe die aktuelle Version 1.4.1 von PSPP und 28.0. von SPSS (beide 64bit).

    Ich komme bei meiner Prüfung auf dieselben Werte, d.h. der Fehler scheint behoben zu sein.

    Herzliche Grüße

    Manuel

  3. Hi Leute, ich habe herausgefunden, wie man PSPP Ergebnistabellen in Excel bekommt: Man muss sie beim Export zuerst als html-Datei abspeichern und anschließend im Browser öffnen. Dann alles makieren, kopieren und in Excel einfügen. Grüße, Eckhard

  4. Hallo! Nachdem ich endlich den Befehl für den Mann-Whitney-U Test gefunden hatte, waren auf einmal alle (!!!) meine Ergebnisse hochsignifikant (Asymptomatische Signifikanz = 0.000). Hatte ein paar Ergebnisse schon mit SPSS berechnet und weiß daher, dass das einfach nicht stimmen kann. Hatte schon einmal jemand dieses Problem mit dem Mann-Whitney-U-Test?

    1. Ich bin zur Zeit mehr mit „R“ unterwegs … Gibt ja auch online-Rechner für Mann-Whitney-Tests. Ist natürlich ärgerlich, wenn Tests implementiert, aber die Ergebnisse nicht verlässlich sind. Ähnliche Probleme wurden ja „offiziell“ bei Korrelationen dokumentiert.

  5. Hi,
    soweit ich das sehe (heute das erste mal mit PSPP unterwegs) gibt PSPP durchaus Diagramme aus (grade mal beid er Faktorenanalyse getestet: über die Syntax mit /PLOT=EIGEN schönen Scree Plot bekommen 😉 ).
    IMHO ist man bei PSPP aber wesentlich besser mit der Syntax unterwegs als mit der grafischen Benutzeroberfläche (welche ich bei SPSS eigentlich nur genutzt habe).
    Hier gehts genau um das Thema: http://lists.gnu.org/archive/html/pspp-users/2014-06/msg00009.html

    MfG
    Skuld

    1. Hallo Skuld,
      danke für die Ergänzung! Ja, den Eindruck, dass Syntax sich lohnt, hatte ich auch. Da findet man einige Tests, die im Menü nicht auf Anhieb zu entdecken sind. Umso besser, dass auch Diagramme möglich sind!

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