Datenvisualisierung gone wrong: Werbeanzeige

Kürzlich stieß ich in einer Werbeanzeige eines Personaldienstleisters auf ein Diagramm, das in etwa so aussah. (Ich verwende hier nicht das Original, da ich weder Werbung für das Unternehmen machen noch es namentlich bloßstellen möchte.) Datenbasis ist eine Mitarbeiterbefragung, die von renommierten externen Instituten (darunter Gesellschaft für Konsumforschung GfK und Bundesministerium für Arbeit und Soziales) durchgeführt wurde.

Werbeanzeige1

Wie würden Sie die Darstellung interpretieren? Mein Vorschlag, ausgehend vom optischen Eindruck:

  • Bei den Items Ich freue mich, dass meine Meinung wichtig ist, körperliche Sicherheit  am Arbeitsplatz sowie Gern-zur-Arbeit-Gehen steht der Personaldienstleister ziemlich gut da.
  • Weniger gut sieht es vor allem bei den Fragen aus, ob der Mitarbeiter sich wieder für diesen Personaldienstleister entscheiden würde und ob die Tätigkeit seinen Fähigkeiten und Stärken entspricht.

Datenvisualisierung: Alternative Darstellung

Wie wäre der optische Eindruck bei folgender Darstellung?

Werbeanzeige2

(Die Zahlen sind die gleichen wie oben.) Hier sehe ich auf den ersten Blick: Wow, dieses Unternehmen schneidet offenbar bei allen Kriterien ziemlich gut ab.

Der Unterschied besteht natürlich in der Skalierung der x-Achse. Die Achse selbst wurde nicht beschriftet. Der Skalenbereich in der Darstellung oben aus der Werbeanzeige beginnt bei 80% und reicht in etwa bis 96%. Die Auswahl eines so kleinen Ausschnitts aus dem gesamten Skalenbereich führt dazu, dass relativ geringe Unterschiede (z. B. zwischen 91% und 95%) ziemlich groß aussehen, was sich in diesem Fall ungünstig auswirkt: der Leser neigt dazu, zwischen Stärken und Schwächen zu unterscheiden.

Die untere Darstellung verwendet den vollständigen Skalenbereich von 0% bis 100%. Dadurch entsteht eher der Eindruck, dass alle Kriterien positiv bewertet wurden.

Übrigens entspricht das Diagramm oben ziemlich genau dem Ergebnis, das man erhält, wenn man nur die Kriterien und Zahlen unter einander schreibt und Excel die Auswahl des Skalenbereichs überlässt. Zufall?

Diskussion zu seriösem Vorgehen

Eingriffe in Skalenbereiche sind eine bekannte Methode, um mit grafischen Darstellungen einen bestimmten Eindruck zu erwecken. Dass dies zum eigenen Nachteil in einer sicherlich nicht billigen Werbeanzeige geschieht, finde ich jedoch ungewöhnlich. Wesentlich häufiger dürfte der Fall anzutreffen sein, dass kleine Unterschiede, die wichtig erscheinen sollen, künstlich (wie oben) „groß gemacht“ werden, z. B. beim Umsatzwachstum.

Seriöser wäre es, die x-Achse zu beschriften – dann fällt es dem Leser leichter, die Balken einzuschätzen. Zudem fiel mir an der Anzeige negativ auf, dass die Antwortoptionen nicht genannt wurden. Möglich, aber unwahrscheinlich wären ja/nein-Fragen. Für wahrscheinlicher halte ich eine abgestufte Antwortskala, z. B. 1=trifft überhaupt nicht zu bis 5=trifft voll und ganz zu. In diesem Fall sollte offen gelegt werden, welche Antwortkategorien zu den dargestellten Prozentzahlen zusammengefasst wurden.

Welche Erfahrungen haben Sie mit grafischen Darstellungen gemacht? Hätten Sie die Diagramme ähnlich interpretiert? Freue mich über Hinweise auf ähnliche Beispiele und andere Kommentare!

Freue mich über Kommentare!

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