Korreliert die Durchfallquote in der Führerscheinprüfung mit der wirtschaftlichen Lage der Fahrschulen?

Streudiagramm

2011 wurde mehr als ein Viertel der Führerscheinprüfungen in Deutschland nicht bestanden. Der Autoclub Europa ACE vermutet einen Zusammenhang zwischen hohen Durchfallquoten und der wirtschaftlichen Lage der Fahrschulen. Die Sächsische Zeitung zitiert ACE-Sprecher Hillgärtner mit den Worten: „Sie spekulieren auf eine hohe Durchfallquote, um anschließend zusätzliche Fahrstunden abrechnen zu können.“

Einige Zahlen:

  • Anteil nicht bestandener Führerscheinprüfungen insgesamt 2011:
    Deutschland gesamt: 27,73%
    1. Hessen: 22,14%
    2. Niedersachsen: 24,87%
    …10. Berlin: 34,82%
    11. Brandenburg: 34,91%
    12. Mecklenburg-Vorpommern: 35,71%
    13. Hansestadt Hamburg: 35,74%
    14. Thüringen: 36,26%
    15. Sachsen: 36,49%
    16. Sachsen-Anhalt: 38,46%
  • Nicht bestandene Theorieprüfungen, Deutschland 2011: 29,25%
    1. Hessen: 23,85%
    2. Niedersachsen: 25,76%

    8. Hansestadt Hamburg: 30,26%
    9. Baden-Württemberg: 30,55%
    11. Berlin: 35,35%
    12. Sachsen: 37,65%
    13. Brandenburg: 37,89%
    14. Thüringen: 38,30%
    15. Mecklenburg-Vorpommern: 39,52%
    16. Sachsen-Anhalt: 40,05%
  • Nicht bestandene praktische Prüfungen, Deutschland 2011: 26,19%
    1. Hessen: 20,36%
    2. Baden-Württemberg: 22,49%

    9. Mecklenburg-Vorpommern: 31,54%
    10. Brandenburg: 31,79%
    11. Hansestadt Bremen: 33,84%
    12. Thüringen: 34,10%
    13. Berlin: 34,24%
    14. Sachsen: 35,27%
    15. Sachsen-Anhalt: 36,78%
    16. Hansestadt Hamburg: 40,72%

Auffällig ist, dass die Durchfallquoten in Ostdeutschland fast durchgängig höher sind als in Westdeutschland. Woran mag das liegen? Folgt man der ACE-Logik, dann geht es den Fahrschulen im Osten besonders mies, entsprechend „gern“ lassen sie ihre Fahrschüler scheitern, um weitere Fahrstunden abrechnen zu können. Ob sich Fahrschulen auf einem Konkurrenzmarkt, der viel über Empfehlungen laufen dürfte, eine solche  Geschäftsstrategie lange leisten können, sei dahingestellt.

Welche Erklärungen haben Sie für die regionalen Unterschiede?

Aus statistischer Sicht erscheint mir der klassische Hinweis angebracht, dass Korrelation nicht Kausalität bedeutet. Weniger wissenschaftlich formuliert: Wenn zwei Ereignisse gemeinsam auftreten, ist noch lange nicht gesagt, dass das frühere auch die Ursache für das spätere ist. Eine Erklärung hat man erst dann zustande gebracht, wenn man einen Mechanismus beschreibt, wie ein Ereignis auf ein anderes einwirkt. Alltagserklärungen bleiben diesen Teil oft schuldig. Meistens fällt das nicht auf, wenn der Zusammenhang „irgendwie plausibel“ klingt. Mit einem drastischen, offensichtlich nicht plausiblen Beispiel habe ich dieses Vorgehen in einem früheren Artikel veranschaulicht: Korrelation und Kausalität: Steffi Graf und Boris Becker als Auslöser der Wende in der DDR?

Hier gibt es die ACE-Studie zum Nachlesen.

Zum Abschluss und zur Entspannung noch ein Beitrag von Otto Waalkes zum Thema Führerscheinprüfung:

2 Gedanken zu „Korreliert die Durchfallquote in der Führerscheinprüfung mit der wirtschaftlichen Lage der Fahrschulen?“

  1. Die Prüfer in der praktischen Prüfung in Hamburg sind besonders unabhängig und unbestechlich? 😉

    Die Unterweisungen in der Theorie sind in Sachsen-Anhalt didaktisch besonders schlecht und in Hessen besonders gut? 😉

    Ein Vergleich scheint mir nur sinnvoll zu sein, wenn jeweils eine Stichprobe von Fahrschülern aus allen Bundesländern zusammengestellt wird, die dann in der gleichen Weise unterwiesen und geprüft werden.

    Wenn die wirtschaftliche Situation der Fahrschulen schlecht wäre, dann würde ich eher eine Tendenz zum großzügigen Durchwinken in der praktischen Prüfung vermuten. Es spricht sich unter den Kunden schnell herum, wenn man irgendwo auf dem Weg des geringsten Widerstands durchkommt.

    1. Vielleicht gibt es Absprachen zwischen Fahrschulen und Prüfern? Vielleicht sind die Durchfallquoten in ländlichen Regionen höher, wo die Fahrschulen weniger Konkurrenz haben? Mit den hier vorliegenden Daten lässt sich trefflich spekulieren …

      Man bräuchte einen ausführlichen Datensatz mit relevanten „Sekundärmerkmalen“, dann könnte man einige Effekte kontrollieren („Drittvariablenkontrolle“).

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